Verein der Brasilienfreunde e.V.
   

  Bericht über die Brasilienreise der "Tanzgruppe ASS" vom 29.03. - 13.04.2012  
Brasilienreise 2012
31.03.2012
Wir sind gerade beim Frühstück in unserem Hotel "Ecoland", das mich sehr an "Dirty Dancing" erinnert. Es liegt in einem Tal, umgeben von Kuhweiden und Wald, ab und zu steht ein Baum auf der Weide. Eigentlich könnte man meinen, man sei hier auf dem Hunsrück. Nur die gelegentlichen Palmen auf den Kuhweiden zeigen, dass das nicht so ist. Das Hotel ist wirklich sehr schön. Gestern war offensichtlich ein Tanz-Workshop oder ähnliches hier, mit der Folge, dass sich dutzendweise hübsche junge Brasilianerinnen herum tummeln. Allerdings sind unsere Tänzerinnen gar nicht da. Sie habe die Nacht in ihren Gastfamilien verbracht.

Am Donnerstag (29.03.2012) sind wir in Frankfurt um ca. 22.00 Uhr gestartet. Die Zeitverschiebung zu Brasilien beträgt durch die Sommerzeit 5 Stunden. Der Flug dauerte 12 Stunden, so dass wir gegen 10.00 Uhr deutscher und 5.00 Uhr brasilianischer Zeit in Sao Paolo landeten. Dort mussten wir unser Einreisevisum einholen, die Koffer abholen und wieder aufgeben. Danach sind wir gegen 8.00 Uhr brasilianischer Zeit nach Porto Alegre weiter geflogen. Der Flug hat ca. 1 Stunde und 40 Minuten gedauert. Beide Flüge waren für alle problemlos. Dadurch, dass wir nachts geflogen sind und man schlafen konnte, war insbesondere der Transatlantik-Flug schneller vorbei, als gedacht (zumindest für mich).

In Porto Alegre wurden wir von einer Abordnung "Hunsrücker" empfangen, was recht ergreifend war. Dann sind wir in einen tollen Bus umgestiegen (die Mädels meinten, mit so einem schönen Gefährt wären sie in Deutschland noch nicht gefahren) und haben eine kleine Stadtrunde in Porto Alegre gemacht, was ebenfalls sehr interessant war. Anschließend ging es mit dem Bus weiter nach Sao Leopoldo. Die Stadt hat heute ca. 200.000 Einwohner und dort landeten die ersten Hunsrücker Auswanderer auf ihrem Weg in ihre neue Heimat. Sie waren mit dem Schiff in Porto Alegre angekommen und mit kleineren Booten den Fluss (der nach neuesten Erkenntnissen gar kein Fluss, sondern ein See ist) hinauf gefahren. An der Stelle, an der sie die neue Heimat betraten, steht heute ein Einwanderer-Denkmal. In Sao Leopoldo haben wir gut und sehr reichlich gegessen und auch ein paar Bier getrunken. Danach waren wir natürlich müde. Es ging aber unerbittlich weiter. Zunächst ins Heimatmuseum. Dann mit dem Bus in die Gegend um den brasilianischen Ort, dessen Namen ich mir nicht merken kann (Anm.: Igrejinha). Auf Deutsch heißt der Kirchleinburg. Dort werden die Mädels am Sonntag erstmals auftreten und dort sind sie auch in den Familien untergebracht.

Die Ankunft im Hotel Ecoland war auch sehr emotional. Viele Deutschstämmige hatten sich eingefunden und sogar eine Musikkapelle spielte. Es gab einen Begrüßungsdrink und was zu essen (schon wieder!). Die Mädels sind dann mit den Familien in ihre Unterkunft gefahren. Wir waren abends nach dem Duschen (endlich!) noch ein paar Bier trinken, wobei auch viele "deutsche" Brasilianer/innen da waren. Es war interessant. Dann sind wir ziemlich müde in die Betten gefallen und haben mehr oder weniger gut geschlafen. Heute Morgen sind wir schon bei strahlendem Sonnenschein aufgewacht. Die Temperaturen sind hier auch sommerlich (gemessen an Hunsrücker Verhältnissen) und angenehm.

Gleich brechen wir auf in die deutsche Kolonie, wo wir auch raften wollen.

01.04.2012
Das Wetter war am Samstag, 31.03., sehr schön und man musste sich vorwiegend im Schatten aufhalten, denn die Sonne ist doch sehr intensiv. Nach dem ausgiebigen Frühstück wurden "die Alten" von den Freunden aus Kirchleinburg mit PKW abgeholt und ca. 30 km weit über Schotterstraßen und Urwald zu einem kleinen Fluss in den Bergen gebracht. Der Bus wäre dort nicht hingekommen. Allein die Autofahrt war schon sehr abenteuerlich. Ziel war eine Anlage, von der aus man unter anderem zum Rafting aufbrechen kann.

Die Mädels von ASS haben am Vortag (31.03.) in der Kolonie "Churrasco" gegessen und sind nach eigener Aussage "gut abgegangen". Um 0.30 Uhr waren sie erst im Bett und mussten um 7.00 Uhr wieder raus. Ihre Gastgeber sind mit ihnen auf zwei hohe Berge in dem sehr hügeligen und urigen Gebiet gefahren. Auch das war wohl ein Erlebnis, obwohl natürlich Schlaf gut gewesen wäre.

Die Mädels haben wir wieder an der Raftinganlage getroffen. Zunächst haben wir dort zu Mittag gegessen (Churrasco). Nachmittags sind die meisten von uns dann zum Rafting aufgebrochen. Nur wenige wollten aus unterschiedlichen Gründen nicht mit. Für die meisten war es aber klar, sich das nicht entgehen zu lassen. Dann gab es auch Menschen, die nur mitfuhren, um nicht negativ aufzufallen. Ich nenne natürlich keine Namen, aber mir hat es anschließend super gefallen (ich bin sozusagen auch "abgegangen").

Mit einem LKW und den Booten wurden wir (ca. 50 Personen) zunächst wieder auf einer abenteuerlichen Fahrt ca. 8 km flussaufwärts gebracht. Dort sind wir nach einer kurzen Einweisung gestartet. Niemand hatte auch nur den Hauch einer Chance, nicht nass zu werden. Kalt wurde es trotzdem niemandem. Das Rafting war einfach nur - geil! Die Flussfahrt dauerte ca. 1 ½ Stunden.

Gegen 18.00 Uhr waren wir wieder an der Basisstation. Nach einem Kaffee und/oder einem Bier sind die Mädels mit ihren Gastgebern wieder in die Privatquartiere. Sie wollten abends in einer Disco. Darüber kann ich aber erst Morgen berichten, weil wir die Mädels heute noch nicht gesehen haben..

Wir sind ins Ecoland. Dort haben wir gegessen und es gab ein weiteres Highlight. Es spielte eine Gaucho-Kapelle. Nicht alle Reiseteilnehmer sind bisher Fans südamerikanischer Musik gewesen. Aber die Qualität von Gesang und Gitarrenspiel hat wohl jeden überzeugt. Es wurde sogar getanzt! Nach einigen Bier waren die meisten um Mitternacht oder kurz danach in den Betten.

Heute (Sonntag, 01.04.) scheint wieder die Sonne von einem wolkenlosen Himmel. Wir werden um 11.00 Uhr (bei Euch ist es dann 16.00 Uhr) wieder aufbrechen. Nachmittags bzw. abends ist dann der erste Auftritt von ASS in Kirchleinburg. Wir sind alle gespannt, wie das ankommt.

Vielleicht berichte ich darüber auch noch.

02.04.2012
Es ist jetzt Montag, 02.04.2012, 9.00 Uhr Ortszeit. Wir sitzen beim Frühstück, die Sonne strahlt. Bei Euch ist es jetzt 14.00 Uhr - ich hoffe, dass die Sonne im Hunsrück auch strahlt!

Rückblick auf den Samstag (31.03.2012):
Die Mädels sind abends mit ihren Gastgebern von Kirchleinburg nach Novo Hamburgo gefahren (das ist nicht gerade um die Ecke). Dort waren sie zunächst bowlen, dann in einer Disco mit Live-Musik. Die Mädels fanden es gut. Besonderheiten gab es aber auch: Der Wunsch der deutschen Mädels, die Band solle mal "Nossa" spielen, wurde abgelehnt. Das war der Rockgruppe dann wohl doch zu viel. Und - man hat sich gewundert, dass die Mädels mehr als 2 bis 3 Caipirinha schafften - die müssen noch viel lernen, die Brasilianer!!! Um 3 Uhr waren die Mädels im Bett.

Gestern (01.04.) sind wir vormittags mit dem Bus in die umliegenden Berge gefahren, die sogenannte Kolonie, wo die deutschen Siedler den Urwald urbar machten. Es ist wunderschön dort, aber auch sehr, sehr hügelig. Die Hunsrücker mussten ihr Brot auch dort schwer verdienen. Die Gegend ist vom Bewirtschaften her sicher mit dem Schwarzwald oder den Alpen vergleichbar. In einem Restaurant mit tollem Panoramablick haben wir die Mädels getroffen und mit den Gastgebern gemeinsam gegessen. Das typische "Churrasco" könnt ihr Euch so vorstellen, dass man auf dem Tisch keinen freien Platz mehr findet. Überall stehen Teller und Schüsseln mit Essen herum und wenn etwas leer wird, wird sofort für Nachschub gesorgt. Von Kartoffelsalat (der wie bei uns schmeckt) über eine spezielle Bohnensoße bis hin zu reichlich Fleisch ist alles da. Das Fleisch wird auf großen Spießen gemacht. Zunächst gibt es meist Schweinswürste, dann Hähnchen, dann verschiedene Rindfleischstücke. Man muss sich wirklich zurück halten, sonst nimmt man hier in zwei Wochen 5 kg zu.

Nach dem Essen ging die Fahrt weiter durch die Hügel zu einem Buddha-Tempel auf einem Berg mitten im Wald. Buddha kann man mögen oder nicht, der Ort ist auf jeden Fall super von den Anhängern gewählt worden. Wieder zurück im Ecoland, hatten wir nur wenig Zeit uns frisch zu machen. Dann sind wir nach Kirchleinburg zum ersten Auftritt unserer Mädels.

Auf dem Vorplatz der Halle war Diether Piroth schon seit geraumer Zeit dabei, aus einem Eukalyptus-Baum ein Kunstwerk zu machen. Die Sägekunst an sich ist für Diether ja kein Problem, das Holz ist aber noch fester als Eichenholz (das man hier nur vereinzelt kennt) und es reißt schnell. Dieter hat es in relativ kurzer Zeit geschafft, ein vielbestaunten Werk zu schaffen. Der Stamm wurde gekrönt  von der kleinen Kirche, dem "Kirchlein", das dem Ort den Namen gab. Darunter wurde das Wappen nachempfunden. Er wurde zu recht sehr gelobt.

Dann sind wir in die Halle und ich muss sagen, ich war ein wenig aufgeregt, wie die Mädels ankommen. Die Halle war voll. An den Wänden hingen große Ventilatoren, die auch sehr sinnvoll waren. Ich bin froh, dass wir nicht im Hochsommer, sondern im brasilianischen Herbst hier sind.

Der Abend wurde gestaltet von der Tanzgruppe Kirchleinburg, die sehr viele Mitglieder hat. Geboten wurden von Ihnen verschiedene Tänze mit kleinen und großen, weiblichen und männlichen Tänzerinnen und Tänzern. Außerdem wurden sehr professionell kleine Theaterstücke vorgetragen. Dazwischen unsere Mädels mit den Tänzen "Räuber", "Puppen", "Wir gehen auf große Fahrt", im "Märchenwald" und als Abschluss "Brasil". Davon war das Publikum offensichtlich sehr begeistert. Margit Piroth stellte die Gruppe und die Tänze in Deutsch vor und alles wurde ins Portugiesische übersetzt.  Die Mädels holten zum Abschluss noch viele Gäste und Tänzer auf die Bühne, um gemeinsam mit ihnen "Nossa" zu tanzen. Damit begann eine sehr ergreifende Phase des Abends.

Vertreter von Kirchleinburg und von Ellern (Otto Mayer) hielten eine kleine Ansprache und es wurden Geschenke übergeben. Auf der Bühne flossen bei Ellernern und Brasilianern Tränen - man kann es nicht richtig beschreiben, man muss es erleben. Es ist erstaunlich, wie selbst junge Menschen immer noch so einen Bezug zur Heimat ihrer Vorfahren haben, die sie doch noch nie gesehen haben. Sie sind stolz, Brasilianer zu sein - und sie sind stolz, Hunsrücker Vorfahren zu haben. Irgendwie bekommen sie die Kurve gut und Vergleiche zu Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund in Deutschland sind sicher nicht zu ziehen. Ich sah auch junge Damen, deren Aussehen alles andere als deutsch war (sprich - sie waren dunkelhaarig, dunkelhäutig und dunkeläugig) und die ebenfalls weinen mussten. Wie gesagt - alles sehr emotional.

Erwähnen muss man in diesem Zusammenhang die Leistung der Gastgeber: Das Lohnniveau in Brasilien ist deutlich geringer, als bei uns. Ein durchschnittlicher Verdienst von 400 bis 500 € pro Monat ist sicher realistisch. Alles, was die Gastgeber mit den Mädels oder uns unternommen haben, war für sie selbst finanziell sehr aufwändig. Natürlich gibt es hier auch Gastgeber, die Geschäftsleute sind und nicht auf "den Real schauen" müssen. Insgesamt ist aber zu hoffen, dass diese gastfreundlichen Menschen den Weg nach Deutschland finden und wir uns einmal revanchieren können.

Wir verlassen jetzt unser tolles Hotel Ecoland und fahren weiter. Ob die Reiseberichte von Nova Petrópolis aus genauso geschrieben werden können, müssen wir mal sehen.

03.04.2012
Nach kurzer, durch Stress bedingter Schaffenspause, nun die weiteren Reiseberichte aus Nova Petrópolis.
Wir haben gestern (Montag, 02.04.2012) unser wunderschönes Hotel in Kirchleinburg verlassen und waren zunächst noch bei einer Familie Engelmann, deren Vorfahren aus Argenthal stammen, zum Shoppen. Dann sind wir in das über 800 m hoch gelegene Gremado gefahren. Es ist ein Touristenort, in dem die Hotels und Restaurants oft Bezeichnungen wie "St. Hubertus", "Swiss", "Alpen" in ihrem Namen haben. Skifahren wird man dort wahrscheinlich nie, es sei denn, ich habe es richtig erkannt, dass etwas außerhalb eine Skihalle gebaut wird (mein Portugiesisch ist leider nicht so gut).

Von Gremado sind wir dann zu unserem neuen Domizil in Nova Petrópolis gefahren. In unserem Hotel "Berghaus" wurden wir mit einem 20-l-Fass Bier begrüßt. Danach waren wir komischerweise alle müde (das Bier muss irgendwie schlecht gewesen sein). Die Mädels wurden wieder von Gasteltern empfangen. Abends war ein Teil von uns bei den Gasteltern der Mädels eingeladen. Der Rest ist in eine Pizzeria gegangen.

Wir waren zunächst in der Sporthalle, in der die hiesige Tanzgruppe übt (montags Gaucho-Tänze, dienstags deutsche Tänze) und haben beim Training zugeschaut. Dann sind wir zu einer Gastfamilie zum "Churrasco-Essen". Danach waren wir alle schon wieder müde (auch mit dem Fleisch scheint hier irgendetwas nicht zu stimmen).

In der Nacht haben die meisten nicht gut geschlafen. Einmal hat ein Hund lange und laut gebellt und gegen Morgen nahm der Autoverkehr so zu, dass es störend war. Das Hotel ist zweckmäßig und mit dem vorherigen nicht vergleichbar.

Auf dem Weg nach Nova Petrópolis, das etwa 500 m hoch liegt und gar nicht so weit von Kirchleinburg weg ist, fiel deutlich eine Veränderung auf. Alles ist viel ordentlicher, aufgeräumter, die Häuser massiver und größer. Während in Kirchleinburg auch deutschstämmige leben, sind sie hier in der Überzahl. Wahrscheinlich ist deshalb alles so anders.

Momentan kann ich noch nicht viel mehr berichten, weil ich von Nova Petrópolis noch nicht viel gesehen habe. Vielleicht gibt es Morgen mehr.

Was hier auffällt, sind die vielen Hortensien, die am Wegrand wie bei uns die Heckenrosen stehen. Sie sind meist verblüht, die eine oder andere verspätete Dolde lässt aber erahnen, welch ein hellblaues Blütenmeer es gewesen sein muss.

Das Wetter ist weiterhin toll. Auf den Bergen liegen die Temperaturen bei ca. 28 – 30°, in den Tälern noch 2 bis 3 Grad darüber. Momentan sind wir meist unterwegs, haben dabei wenig Bewegung und essen ständig Churrasco.

Am Dienstag, 03.04., war der Tag der „Kooperationen“. Zunächst waren wir in einer Bank, die wir aber nicht Bank nennen dürfen. Man legt großen Wert darauf, kein Geldinstitut zu sein, die die Gewinne an wenige verteilt. Man ist vielmehr eine Genossenschaft, die für die Mitglieder Gutes tun will. Von dort ging es direkt in eine Molkerei, die mit Hilfe aus Deutschland aufgebaut wurde und ständig expandiert. Imponiert hat mir, dass man dort bisher menschlich geblieben ist. Selbst die kleinen Milchmengen von alten Bauersleuten werden angenommen, auch wenn es nicht wirtschaftlich ist. Alles andere wäre „unrecht“. Wir haben in dem Sozialgebäude der Molkerei zu Mittag gegessen (es gab ausnahmsweise Churrasco).

Anschließend waren wir in Picada Cafe (Kaffeeschneiß) in einer neuen Schuhfabrik, die ebenfalls als Kooperative geführt wird. Dort werden Schuhe im Auftrag von Converse und Nike hergestellt. Viele Menschen finden Arbeit und man sieht, dass der Faktor Lohn bei der Kalkulation keine große Rolle spielt (bei Schichtwechsel müssen 22 Busse eingesetzt werden, um die Menschen nach Hause zu bringen). Die Löhne sind sicher auch gering, die Firma beschäftigt aber einen Arzt und einen Zahnarzt, zu denen die Mitarbeiter kostenlos gehen können. Da es keine Krankenversicherung gibt, sicher eine tolle Sache.

Alle drei Kooperationen haben den Eindruck vermittelt, dass es in Brasilien steil bergauf geht. Zumindest mit der Schuhindustrie scheint das aber nicht der Fall zu sein, denn die Produktion in Billiglohnländern ist viel günstiger. Wahrscheinlich gibt es Einfuhrbeschränkungen, weshalb ausländische Firmen hier - noch - für den brasilianischen Markt produzieren lassen. Das kann sich sicher schnell ändern.

Nachmittags ging es nach einem kurzen Aufenthalt im Hotel über eine Schotterpiste von Nova Petrópolis nach Linha Nova (Neischneiß). Die Bezeichnungen „Schneiß“ kommen daher, dass zur Ansiedlung der ersten Einwanderer Schneißen in den Urwald geschlagen wurden. Rechts und links dieser Schneißen bekamen die Einwanderer ihre Grundstücke zugewiesen (ca. 19 ha). Meist bauten sie sich direkt an der Straße oder etwas zurückgesetzt ein Haus, Holz hatten sie ja genug dazu. Außerdem rodeten sie so viel Wald, wie sie für Äcker und Wiesen benötigten.

Die Fahrt nach Linha Nova war aus zwei Gründen beindruckend: Erstens konnte man teilweise noch alte Gebäude, wahrscheinlich aus der Zeit der Besiedelung sehen. Sie sind also teilweise von echten Hunsrückeren gebaut worden und man kann sich vorstellen, wie sie dort vor ca. 180 Jahren angefangen und gelebt haben. Zweitens führte der Weg über einen Hügelkamm. Wenn es auch ordentlich staubte, so konnte man doch einen herrlichen Blick über Hügel und Wälder genießen. Hier ist wirklich eine wunderschöne Gegend.

Während ich das jetzt schreibe sind die anderen übrigens zum Bürgermeister von Novo Petrópolis. Da wir meist nur wenig Zeit haben und ich kein Freund von Bürgermeistern bin (das gilt aber nur für bestimmte!!!) nutze ich die Zeit zum Schreiben.

In Neischneiß oder Linha Nova trafen wir alte Bekannte vom letztjährigen Backesfest. Fuzzy hat jetzt leider verloren, Janette hat einen Freund. Sie ist im Übrigen noch genauso „verrückt“, wie im letzten Jahr.

Linha Nova besteht als eigenständige Gemeinde seit 20 Jahren. Wir alle waren beeindruckt, was die Gemeinde um den Bürgermeister Haas und den Vize-Bürgermeister Petry alles geschafft hat. Sie warten nicht auf Aktionen des Staates sondern werden selbst tätig. Sie haben eine Überlandstraße geteert, ein modernes Rathaus, einen neuen Kindergarten und eine schöne Schule gebaut. Nicht zu vergessen - einen tollen Festplatz. Die Gemeinde hat ca. 1800 Einwohner (wovon aber nur ca. 30 % direkt im Ort wohnen) und beschäftigt über 80 Mitarbeiter. Darunter auch Ärzte und Zahnärzte (pro 360 Einwohner einen Arzt, pro 800 Einwohner einen Zahnarzt). Die Erklärung auf meine Frage, woher das Geld kommt, hat mich nicht überzeugt und ich grübele weiter………

Fast alle von uns haben den Friedhof besichtigt. Alle Namen dort sind mit Ausnahme eines italienischen deutsch. Portugiesische Namen sind nicht zu finden, dafür aber Petry, Bauermann, Kleemann, Fülber, Saueressig, Beck usw.

Die Mädels hatten in Linha Nova ihren zweiten Auftritt und zwar in einer großen Schützenhalle, die allerdings multifunktionell war. Da die Bühne zu klein war, tanzten die Mädels in der Halle im Wechsel mit dem örtlichen Tanzverein „Loreley“. Die Organisatoren bedauerten, dass nicht ganz so viele Besucher da waren. Das lag auch daran, dass in Brasilien die Studenten tagsüber arbeiten und abends in der Uni sind. Die Unis sind meistens kostenpflichtig und man muss sich das Geld dafür verdienen.

Margit moderierte wieder und wurde unterstützt von Jackson, der im Februar in Deutschland war (auch auf unserer Fastnacht) und bei der Tanzgruppe Loreley mittanzt. Die Technik war – nett ausgedrückt – suboptimal, man musste länger auf die Einspielung eines Liedes warten. Manches musste improvisiert werden. Die Mädels sind aber mittlerweile Profis (das sahen zumindest die Zuschauer so) und ich glaube, dass sie das Publikum sehr begeistert haben. Spätestens ab dem dritten Tanz waren die Zuschauer merklich sehr angetan von ihnen. Und der Abschluss mit „Brasil“ und „Nossa“ hat auch hier seine Wirkung nicht verfehlt.

Es gab noch kurze Ansprachen und der Austausch von Geschenken. Dann tanzten viele noch einen Line-Dance, den Elke eingeübt hatten. Danach gab es Essen (habt ihr schon mal was von „Churrasco“ gehört?) und Trinken. Wildfremde Menschen sprechen einen in Hunsrücker Platt an und wollen reden. Über ihre Vorfahren und ihre Nachnamen und über den Hunsrück und überhaupt…... Um ca. 23.00 Uhr sind wir heim gefahren.

04.04.2012
Es ist luftiger geworden, aber immer noch sehr warm.

Mit dem Bus sind wir entlang der „Romantischen Straße“ nach Novo Hamburgo gefahren. Dort haben wir die Naturheilpraxis von Pater Paulo Wendling besucht. Auf der Strecke dort hin haben wir viel Reichtum und viel Armut gesehen. Das ist sicher keine gute Basis, für ein sicheres und friedvolles Zusammenleben. Insgesamt geht es aber mit Brasilien steil bergauf, es ist schon die sechststärkste Wirtschaftsmacht der Welt. Pater Wendling hat bereits fünf Bücher über Naturheilkunde geschrieben und gilt als Kapazität in Südbrasilien. Auch Hildegard von Bingen diente ihm bei seinen Studien. Wegen seiner ruhigen und sehr ausgeglichenen, dennoch aber witzigen Art imponiert er. Er konnte auch drei von uns wegen ihrer Reisekrankheit behandeln. Pater Wendling nimmt ein Honorar für seine Arbeit. Wenn es sich jemand nicht leisten kann, verzichtet er darauf.

Mit ihm sind wir zu einem Straßenkinderprojekt „Casa Verde“ gefahren. Dort werden von über 20 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen ärmere Kinder betreut. Alle Kinder haben einen guten Eindruck auf uns gemacht und waren gut gekleidet. Otto Mayer hat dem Projekt eine sehr großzügige Spende überreicht, was viele sehr gerührt hat. Dann aßen wir in der Anlage (für die, die es interessiert: Es gab Churrasco).

Auf dem Rückweg nach Nova Petrópolis besichtigten wir noch in Picada Cafe (Kaffeeschneiß) ein kleines Einwanderermuseum. Es handelt sich um Originalhäuser aus der Zeit um 1830, die als Anlaufstation für neue Siedler in der Gegend dienten. Daneben stand ein nicht zum Museum gehöriges altes Haus, das noch original so eingerichtet war, wie die letzten Bewohner es verlassen haben. Ein Blick durchs Fenster hat mich mehr begeister, als das Museum. Der Besitzer, der dort nicht wohnt, war anwesend. Er meinte, seine Vorfahren seien auch aus dem Hunsrück. Auf Nachfrage von wo, meinte er, aus Merzig. Ich musste ihm leider die Illusion nehmen, ein Hunsrücker zu sein.

Danach waren wir in einer Schnapsbrennerei Weber. Sie baut auf 30 ha Zuckerrohr an und verarbeitet ihn zu feinem Schnaps. Falls die Flaschen die noch ausstehenden fünf Flüge bis zur Rückkehr nach Deutschland überstehen, könnte Ihr Euch sicher von der Qualität überzeugen.

Um ca. 18.00 Uhr waren wir zurück. Der Abend war eigentlich zur freien Verfügung. Die hatten aber die wenigsten, denn viele waren eingeladen. Die meisten waren privat bei den Gastgebern und aßen „Churrasco“ (davon kann man eigentlich nie genug haben). Jutta, Helmut und ich waren mit den Gasteltern von Anna und Lena in einer Pizzeria. Schade, dass es dort kein „Churrasco" gab!

05.04.2012 – Gründonnerstag
Morgens sind wir noch bei Sonnenschein aufgestanden und nach dem Frühstück zunächst zum Bürgermeister von Nova Petrópolis gefahren, der die Gruppe begrüßen wollte. Danach sind wir in eine kleine Schule in einem Vorort (Villa Olinda) gefahren, um sie zu besichtigen. In dem Ort wohnen auch Anna und Lena bei der Gastfamilie Becker. Eine Lehrerin der Schule ist Tänzerin beim Freundschaftskreis Nova Petrópolis. Zunächst haben die Schüler in der Halle  eine Ostervorführung gemacht (es gibt hier keine Osterferien und der Ostermontag ist kein Feiertag). Gesang, Musik, Puppenspiel, Theater wurden geboten, sowie auch eine PowerPoint-Präsentation – alles zum Thema Ostern. Die Schule ist sehr klein, die Kinder haben dennoch schöne Vorträge gemacht. Auch ein Pfarrer hat gesprochen (allerdings in Portugiesisch). Während unseres Schulbesuchs hat es ein heftiges Gewitter gegeben, bei dem es einmal sehr laut gekracht hat. Es hat stark geregnet und anschließend lagen die Temperaturen nur noch bei ca. 16°.
 
Die Kinder sind dann in ihre Klassen gegangen und haben dort ein Ostergeschenk von der Schule bekommen. Wir haben die Schule und den Unterricht besichtigen können. Die Klassen sind sehr klein, was sicher positiv ist. Es gibt Lernmittelfreiheit, d.h., die Bücher werden an die Schüler ausgeliehen. Der Matheunterricht hat interessante Inhalte. Als wir kamen, waren die Kinder am Mühle spielen.
 
Den Nachmittag hatten wir zur freien Verfügung. Allerdings nicht alle. Dieter Piroth musste wieder „schnitzen und schwitzen“. Er tat dies an dem zentral gelegenen Park, wo auch ein Schokoladenfest war. Dieter hatte viele Zuschauer und hat wieder etwas Tolles gezaubert (zwei Eulen auf einem Baum). Sein Werk hat noch die Aufschrift „Nova Petrópolis“ und „Ellern“, sowie das Datum 05.04.2012 erhalten.
Nachmittags hat es nicht mehr geregnet, blieb aber mit 16° kühl. Dieter hat es sicher gefreut!
 
Abends sind wir dann wieder in die Halle nach Villa Olinda gefahren, wo wir schon morgens die Schüler getroffen haben. Hier fand der letzte Auftritt von ASS statt. Es ist die Trainingshalle des Freundschaftskreises. In der Mitte ist sie um ca. 40 cm vertieft, das Publikum sitzt außen herum. Um 19.00 Uhr mussten wir uns zunächst einmal stärken. Wir waren zum Churrascoessen eingeladen (!). Die Mädels haben natürlich nichts gegessen. Die fünf Tänze in relativ kurzer Zeit zu absolvieren ist schon anstrengend.
 
Der Abend wurde dann wieder abwechselnd von Gruppen des Freundschaftskreises und ASS gestaltet. Die Halle ist nicht besonders groß und war daher voll. Die Mädels haben offensichtlich schon einen Fan-Club, denn es waren auch wieder Gäste aus den vorhergehenden Auftritten in Kirchleinburg und Neischneiß da. Die Stimmung war gut und die Mädels kamen sehr gut an. Manche Zuschauer waren zu Tränen gerührt. Margit führte mit Elain (die Chefin der Schuhfabrik) sehr locker und gekonnt durchs Programm. Den Abschluss bildete wieder „Brasil“ und „Nossa“, was immer wieder die Tanzfläche füllt (und manches Auge mit Tränen). Dann gab es noch kurze Ansprachen und den Dance-Floor von Elke.
 
Die Mädels haben dann etwas gegessen und anschließend noch vieles mit den Gaucho-Tänzern des Freundschaftskreises ausprobiert. Auch wir „Alten“ haben so manche Runde auf dem Tanzboden bei Live-Musik (sehr südamerikanisch) gedreht.
 
Ich habe mich geopfert und einen Selbstversucht zur allgemeinen Verträglichkeit von Caipirinha beim gewöhnlichen Westeuropäer durchgeführt. Mein Fazit: Besser zu dritt einen trinken, als alleine drei!!!
 
Es war ein sehr schöner Abend und wir kamen recht spät in die Betten. Manche hatten dann immer noch nicht genug und haben noch in einem Zimmer weiter gemacht. Ich habe nicht dazu gehört, denn ich wollte das Ergebnis des Selbstversuchs nicht beeinflussen.
 
06.04.2012 – Karfreitag
Morgens ist es noch ein wenig bewölkt, dann wird es wieder schön, allerdings noch nicht so warm, wie am Mittwoch. Eine größere Gruppe von uns ist in Nova Petrópolis in die Kirche gegangen. Der Gottesdienst wurde in deutscher Sprache gehalten. Ich war nicht dabei, denn die Folgen des Selbstversuchs ließen das nicht zu.
 
Danach wurde das Kunstwerk von Dieter offiziell dem Profeite (Bürgermeister) übergeben. Dann sind wir zu einer deutschstämmigen Familie in Picarda Cafe (Kaffeeschneiß) gefahren, die uns zum Fisch- und Eieressen eingeladen hatten. Sie sind Gemüsebauern und haben ihre Felder in der fruchtbaren Flussebene. Die Erde ist dort rot und offensichtlich sehr gut.
 
Die Kolonisten haben meist einen 150 m breiten Streifen Land von der Ebene bis zum Berghöhen bekommen. Das waren jeweils 18 bis 20 ha. So hatte jeder Wasser, die fruchtbare Ebene und die schwerlicher zu bebauenden Hänge, sowie Holz im Überfluss. Auf dem Grundstück baute man auch sein Häuschen. Die ersten Siedler haben natürlich die besten Grundstücke bekommen. Heute sind viele Flächen wieder von der Natur zurück erobert worden. Die Siedler arbeiten überwiegend in Fabriken und sind in die Stadt gezogen. Die alten Kolonistenhäuser werden von Städtern gekauft und als Wochenenddomizil genutzt.
 
Nachmittags waren wir noch ein wenig in Nova Petrópolis shoppen. Ja, die Geschäfte haben trotz des Karfreitags geöffnet, da es sich um eine Touristenstadt handelt  (allerdings nicht alle). Der Abend war zur freien Verfügung. Einige gingen essen, andere zur Weinprobe. Die Mädels von ASS und 10 Erwachsene sind zu einem deutschen Abend in eine alte Gastwirtschaft gegangen, die früher ein Tanzsaal war. Hier finden pro Woche fünf solcher Abende statt. Der Wirt engagiert eine Musikgruppe und eine Tanzgruppe, die dann die Gäste mit eigenen Tänzen erfreut, aber auch sehr nachdrücklich zum Mitmachen animiert. Wir waren um ca. 20.00 Uhr da. Nachdem wir auf dem Hinweg schon eine nachgespielte Kreuzigungsprozession und eine volle Kirche gesehen hatten, waren wir überrascht, schon vor der Eingangstür mit südamerikanischer Blasmusik empfangen zu werden. Man konnte sich auch nicht gegen ein Tänzchen mit Mitgliedern der Tanzgruppe Freundschaftskreis wehren.
 
Die Halle war gegen 21.00 Uhr voll gefüllt und um ca. 23.00 Uhr schon wieder zu ¾ leer (wir sind natürlich länger geblieben). Es gab deutsches Essen und jede Menge Kuchen. Bei den verschiedenen Tänzen mitzumachen, war eine richtige Gaudi. Bei einem Reigen kam man mit wildfremden Leuten zusammen, die aus ganz Brasilien und den Nachbarländern zu solchen Veranstaltungen gehen (sie werden mit Bussen aus Gremado hergebracht). Um 0 Uhr wurde der Geburtstag von Margit Piroth gefeiert. Wir haben ihr ein schönes Ständchen gebracht, die Mädels haben ihr ein tolles Fotoalbum geschenkt. Die Freunde vom Freundschaftskreis haben mitgefeiert. Dieter hat jede Menge Caipirinhas geholt und ich konnte meine neue Erkenntnis zum Genuss dieses Getränkes direkt umsetzen.
 
Als wir gegen 1.00 Uhr heimkamen, haben einige noch auf dem Zimmer weitergefeiert.
 
07.04.2012
Heute hieß es Abschied nehmen von den Menschen in Nova Petrópolis. Allerdings hatten wir dazu einen ganzen Tag Zeit. Und es war ein sehr ereignisreicher und schöner Tag, für dessen Ausrichtung die Gastgeber wirklich keine Mühen gescheut haben. Das Wetter hat auch mitgespielt, denn die Sonne strahlte wieder und es war sehr, sehr warm.
 
Morgens sind wir mit dem Bus nach Kaffeeschneiß gefahren und haben zunächst ein altes Gehöft mit Schlachthaus besichtigt. Mit einer Anschubfinanzierung aus Deutschland wird es zu einem Freilichtmuseum ausgebaut.
 
Danach durften die ASS-Mädels in ein Factory Outlet von Converse und haben sich Schuhe gekauft. Wir waren derzeit die älteste Kirche von Picada Cafe besichtigen. Allerdings hatten wir nicht damit gerechnet, in der Kirche einen Chor vorzufinden, der fünf unterschiedliche Lieder für uns gesungen hat. Viele Sänger/innen waren zwar in Osterurlaub, aber auch die wenigen, die da waren, zeigten ein erhebliches Können.
 
Dann sind wir nach Picada Cafe zum Mittagessen gefahren. Auch dort wurden wir damit überrascht, dass eine Volkstanzgruppe aus dem Johannitertal uns vier Tänze zeigte und uns zum Mittanzen animierte. Wir sind darin mittlerweile ja schon Profis. Die Gruppe wird im September nach Deutschland kommen.
 
Danach sind wir mit dem Bus in das Jammertal gefahren. Unser Busfahrer Marcio (der übrigens ein überaus sympathischer Kerl ist) versteht sein Handwerk sehr gut. Den großen Bus steuerte er sicher über kurvige Schotterpisten und schmale Holzbrücken. Begrüßt wurden wir an einem Festplatz wieder mit Blasmusik. Dann sind wir – begleitet von der freiwilligen Feuerwehr – ca. 7 km durch das Tal gewandert. Das fand ich sehr schön, denn so konnte man hautnah sehen, riechen, schmecken, wie es hier ist. Wir sind über wackelige Hängebrücken gegangen, an alten Kolonistenhäusern vorbei gekommen und haben die Früchte am Wegrand probieren können. Darunter Bergamotte (schmeckt wie Mandarine) und Orangen, die allerdings noch grün waren und trotzdem schmeckten. Auf einem schmalen Pfad zu einem Wasserfall kamen wir an einem versteckten Kolonistenhaus vorbei, in dem eine 85-jährige, sehr kleine und sehr schmächtige Frau alleine lebte (sie hieß Braun). Ich fand es sehr idyllisch und ruhig da, war aber schon erschrocken, als ich hörte, dass die Frau vor nicht allzu langer Zeit ausgeraubt wurde. Seitdem besitzt sie eine Waffe. An den Wasserfällen war natürlich ein großes Fotoshooting angesagt. Die Mädels sind auch darin Profis. Wie gesagt, die Feuerwehr hat uns immer begleitet und für Getränke gesorgt. Es war sehr warm im Tal, im Wald aber auch angenehm kühl. Auch hier haben die Gastgeber einen großen Aufwand betrieben. Wege wurde extra planiert und Pfade freigeschnitten.
 
Wieder zurück haben wir Kaffee getrunken und dann Fußball gespielt. Es ist schon erstaunlich, wie Fußball Menschen, die 10.000 km entfernt von einander aufgewachsen sind, verbindet. Es hat aber auch ein trennendes Element. Anna hat mir meinen Fuß lädiert – ich werde ihr das Taschengeld kürzen.
 
Die, die nicht Fußball spielten, besuchten den Gottesdienst in der Kirche gegenüber dem Festplatz (katholisch, portugiesisch). Auf dem Friedhof neben der Kirche sind viele deutsche Namen zu finden, unter anderem auch der Ellerner Name Seibel.
 
Danach gab es ein großes Churrasco-Essen. Natürlich spielte auch die Blaskapelle und es wurde viel getanzt. Sowohl die älteren unserer Gruppe, als auch die Mädels haben sich gut mit den Gastgebern verstanden. Sehr gut sogar. Und dass die Mädels in den Familien untergebracht waren, hat ihnen natürlich ein ganz anderes Blickfeld eröffnet. Aber auch der schönste Tag muss irgendwann enden und so verabschiedeten wir uns von den überaus zuvorkommenden Gastgebern aus Nova Petrópolis um ca. 23.30 Uhr.
 
08.04.2012 - Ostersonntag
Wir sind schon sehr früh aufgestanden – um ca. 5.30 Uhr, da hattet ihr schon die Eier gesucht (es war bei Euch 10.30 Uhr). Um 7.00 Uhr brachen wir mit dem Bus Richtung Porto Alegre auf. Es waren auch hier wieder einige Gasteltern und Freunde gekommen, um sich zu verabschieden.
 
Gegen 9.00 Uhr waren wir auf dem Flughafen in Porto Alegre, wo uns wieder Leute aus Sao Leopoldo, Kirchleinburg und aus Nova Petrópolis überraschten, uns frohe Ostern wünschten und sich herzlich verabschiedeten.

Gerade die persönlichen Kontakte in den Familien mit unseren Mädels aber auch die Tanzveranstaltungen, Gaùcho-Abend, Deutscher Abend und die vielen Begegnungen mit Menschen die noch unsere alte Sprache sprechen, werden wir nie vergessen. Ob wir diese Gastfreundschaft in dieser Form so zurück geben können wird sicherlich nicht einfach. Wir freuen uns schon jetzt wenn die Tanzgruppen uns im Hunsrück besuchen und wir unsere Hunsrücker Gastfreundschaft anbieten können.
 
Wir sind dann ca. 950 km weit nach Sao Paolo und von dort ca. 800 km nach Foz do Iguazu geflogen, wo wir um ca. 15.00 Uhr ankamen. Ein Reisebus mit Reisebegleitung stand für uns bereit. Es fiel direkt auf, dass es dort wärmer und vor allem feuchter ist. Foz do Iguazu liegt nahe der Grenze zu Argentinien und Paraguay. Im Sommer herrschen hier Temperaturen von bis zu 45° und eine Luftfeuchtigkeit von über 90%. Gut, dass es Herbst ist!!!!
 
Um 16.00 Uhr haben wir schon die Wasserfälle im Nationalpark Iguacu von der brasilianischen Seite aus besichtigt. Leider haben die Fälle im Moment wenig Wasser. Trotzdem ein imposantes Naturschauspiel. Nervig waren die vielen Nasenrüsselbären, die wohl Verwandte der Waschbären sind. Sie waren sehr aufdringlich in ihrem Bestreben, etwas Essbares zu bekommen. Iguacu bedeutet in der Sprache der Indios "Großes Wasser" - und das trifft vollkommen zu.

Im Bus hat uns unser Reisebegleiter Rodrigo umfangreich mit Informationen versorgt. Rodrigo spricht akzentfrei Deutsch, was mich bei seiner Vita etwas erstaunt hat. Er ist Deutsch-Brasilianer. Sein Vater ist Deutscher (wenn man großzügig das kleinste Flächenbundesland westlich von uns zu Deutschland zählt), seine Mutter eine Indio aus Brasilien. Rodrigo hat seine Kindheit und Jugend in Saarlouis verbracht (wo also hat er so gut Deutsch gelernt??).

Abends sind wir dann in unsere Hotel Continental Inn in Foz do Iguacu angekommen. Es hat großzügige Zimmer mit meist drei Betten. Zunächst wurde daher zunächst einmal ein umfangreiches Wechselspiel bei der Zimmerbelegung durchgeführt. Danach haben viele von uns, natürlich auch die Mädels, den Pool getestet.

Abends sind wir mit zwei Großraumtaxis zu einer Pizzeria zum Essen gefahren. Besonders "harte Männer" haben aber den Weg zu Fuß gewählt, um etwas von der Stadt zu sehen. In der Pizzeria war das Essen gut, die Klimaanlage zu kalt, die Hektik und der Lärmpegel groß. Ständig gehen Bedienungen durch die Reihen und haben ein, zwei oder sogar drei Tabletts mit Pizzen dabei. Man kann sich davon geben lassen, solange man Hunger hat. Es kostet einen (nicht hohen) Preis, egal ob man viel oder wenig isst. Auch süße Beläge stehen zur Auswahl. Der große Vorteil ist, dass man nicht auf das Essen warten muss. Sobald man sitzt, geht es los - eigentlich eine gute Sache. Natürlich haben wir auch einige Chopp (Fassbier) dazu getrunken. Das Bier in Brasilien ist übrigens gut und im ganzen Land wird viel davon getrunken (vielleicht sind deshalb viele Brasilianer/innen etwas dicker - könnte aber auch am Churrasco liegen).
 
09.04.2012
Nach dem Frühstück sind wir mit dem Bus zu einem Ausflug auf die argentinische Seite der Wasserfälle aufgebrochen. Das Wetter ist - wie gestern - eher bewölkt, als sonnig, was aber schon als Glücksfall zu bezeichnen ist. In der Gegend gibt es keine Regenzeit. Da es im Jahresmittel aber ca. 3.500 l pro qm regnet (zum Vergleich: bei uns ca. 600 bis 800 l/qm), kann man sich vorstellen, dass es häufig zu Niederschlägen kommt. Dementsprechend ist die Natur dort auch satt-grün.

Der Fluss Iguacu bildet die Grenze zwischen Brasilien und Argentinien. Der Fluss Paraná trennt Brasilien von Paraguay.

Zunächst haben wir auf brasilianischer Seite noch das stärkste Wasserkraftwerk der Welt in Itaipu besichtigt. Es wurde von Brasilien gebaut, Paraguay partizipiert aber davon (das hat mit schwierigen und langwierigen Verhandlungen der beiden Anrainerstaaten des Paraná zu tun). Wenn ich die Zahl noch richtig im Kopf habe, ist der Staudamm 7 km lang (wir haben ihn mit dem Bus befahren). Bevor der Paraná gestaut wurde, gab es hier auch Wasserfälle, die noch schöner als die von Iguacu gewesen sein sollen. Das gigantische Werk hat also auch jede Menge Natur zerstört. Allerdings sind die positiven Aspekte für die Menschen in der Gegend auch immens.

Das Wasserwerk deckt den paraguayischen Strombedarf zu 90 % und den von Brasilien zu 20 %. Es stellt so viel Strom her, wie 13 herkömmliche deutsche Atomkraftwerke.

Danach ging es dann nach Argentinien. Auf dem Weg dorthin haben wir gelernt, dass die Sklaverei in Brasilien erst 1880 abgeschafft wurde - und dass die Holländer die größten Sklavenhändler waren. Die ersten Sklaven waren dabei aber nicht aus Afrika, sondern die einheimischen Indios. Die Argentinier sind in allen Nachbarländern offensichtlich sehr unbeliebt. Das liegt u.a. daran, dass sie vor einigen Jahren es zu einem gewissen Reichtum geschafft hatten (der mittlerweile schon wieder verflogen ist) und sich sehr schlecht im Ausland benommen haben. Unser Freund Diego Maradona kann hier als Beispiel dienen.

Zwischen den Grenzanlagen von Brasilien und Argentinien liegt eine 2 km breite Pufferzone. Auf argentinischer Seite liegt die Stadt Porto Iguacu mit ca. 80.000 Einwohnern, während Foz do Iguacu in Brasilien ca. 300.000 Einwohner hat. Die ganze Gegend im Dreiländereck wird von Schmuggelei aus Paraguay und vom Glückspieltourismus nach Argentinien geprägt.

Im Nationalpark Iguacu in Argentinien sind wir mit einer Kleinbahn gefahren. In der Gegend (also auch in Brasilien) gibt es Jaguare, Pumas, zwei Affenarten, Schlangen, Tapire, Tukane usw.

Von einer Haltestation aus sind wir ca. 1 km über Stege bis an das Herz der Wasserfälle, den Teufelsschlund gegangen. Die dort vorherrschende Gischt sorgte für willkommene Abkühlung, denn es ist auch hier sehr warm und schwül. Leider ist im Moment wenig Wasser da, so dass wir keine weiteren Stellen der Fälle mehr besichtigt haben.

Abends waren wir dann alle zusammen zum Essen in einer Churrascaria, in der es auch eine südamerikanische Folkloreshow gab. Die Tänzer/innen stellten Musik und Tänze aus ganz Südamerika vor. Das Publikum war sehr international (Japaner, Koreaner, Amerikaner, Spanier, Deutsche und jede Menge Menschen aus südamerikanischen Staaten). Der Abschluss der Show bildete eine Samba-Darbietung. Es ist erstaunlich, wie man mit bestimmten Körperteilen wackeln kann!

10.04.2012
Nach dem Frühstück sind wir zum Flughafen von Iguacu und gegen Mittag in Rio de Janeiro angekommen. Dort wurden wir von unserer kompetenten und gut aussehenden Reiseleitung Claudia empfangen. Die Art wie sie sich stellte und ging ließ schon erkennen, dass es sich um eine ehemalige Balletttänzerin handelt. Zunächst sind wir zu unserem Hotel Mirador Rio gefahren und haben dort eingecheckt. Der Nachmittag war zur freien Verfügung, den viele natürlich dazu genutzt haben, die Copacabana aufzusuchen. Unser Hotel lag im Stadtteil Copacabana, vier Häuserblocks vom Strand entfernt (ca. 10 Minuten). Da wir uns noch in der ausgehenden Regenzeit befanden, war es nicht besonders verwunderlich, dass nachmittags Wolken aufzogen. Das war vielleicht auch gut so, denn die Mädels neigen dazu, das Sonnenbaden zu übertreiben!!

Abends sind fast alle geschlossen mit Otto und Marga zum Kilo-Essen gegangen. Dabei füllt man sich seinen Teller so, wie man es haben möchte und bezahlt nach Gewicht, wobei es egal ist, ob es sich um Salat oder Fleisch handelt. Anschließend ist die Gruppe noch an eine Bar an der Copacabana und hat bis nach Mitternacht Caipirinha getrunken (Näheres kann ich leider nicht berichten, ich war nicht dabei).

11.04.2012
Nach dem Frühstück empfing uns wieder unsere charmante Reiseleiterin (die wie viele Brasilianerinnen ihre Zigarette mit Mundstück raucht) zu einer Stadtrundfahrt. Wir hatten wieder einen modernen und scheinbar sehr neuen Bus. Der Busfahrer verstand sein Handwerk, was bei diesem Verkehr und diesem Verhalten der Verkehrsteilnehmer auch nötig ist. Rio ist eine imposante Stadt. Waren wir bisher mehr in europäische geprägten Landesteilen, herrscht hier der afrikanische Einschlag vor. In der größten Favela Rios leben etwa 200.000 Menschen, die - wie Claudia erzählte - nicht mehr so arm, wie noch vor einigen Jahren sind. Viele hätten ihre Häuser massiv erbaut, würden sie aber nicht fertig stellen, um keine Steuern zahlen zu müssen. Viele öffentliche Baumaßnahmen sind auf die Fußball-WM 2014 ausgerichtet. Man kann sich kaum vorstellen, dass die Brasilianer insbesondere die verkehrlichen Probleme bis dahin noch in den Griff bekommen.

Zunächst sind wir an den Corcovado fahren. Mit der Zahnradbahn ging es durch Regenwald auf den berühmten Berg, auf dessen Spitze die Christusstatue steht. Das Wetter war den ganzen Tag wunderbar, d.h. ca. 32 ° warm und sonnig. Natürlich sind viele Touristen an diesen Orten, dennoch hatten wir den richtigen Zeitpunkt erwischt. Wenn beispielsweise vier Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig in Rio anlegen, sind auf einen Schlag 18.000 Tagestouristen da. Es war zum Glück für uns keines da. Der Blick vom Corcovado ist traumhaft. Die Eindrücke sind insgesamt so vielfältig, dass man sie kaum verarbeiten kann. Dank vieler Fotos und Videos können wir in den nächsten Wochen eine "Nachverarbeitung" machen.

Danach haben wir eine Stadtrundfahrt gemacht und dabei das Maracana-Stadion von außen gesehen. Es hatte ursprünglich 200.000 Plätze, wurde schon einmal auf 120.000 Plätze reduziert und befindet sich derzeit im Umbau für die WM. Danach wird es noch 70.000 Besuchern Platz bieten (wegen der Bauarbeiten konnten wir nicht hinein). Interessant war auch das Sambodrom, in dem die berühmten Sambaschulen an Karneval ihre Choreografien darbieten. Wir hatten die Möglichkeit auszusteigen, was die Tanzmädels aber gar nicht wollen. Offensichtlich hatten sie zu lange an der Bar an der Copacabana verbracht. Das Sambodrom wie viele andere Anlagen in Rio wurden von dem berühmten Architekten Niemeyer geplant. Er ist heute 104 Jahre alt und sitzt noch täglich in seinem Büro.

Anschließend sind wir noch an und mit der Seilbahn auf den Zuckerhut gefahren. Komisch, wenn man drauf steht, merkt man gar nicht, wo man ist. Er sieht aus, wie jeder andere Aussichtsberg. Aus der Seilbahn und vom Zuckerhut hatte man natürlich ebenfalls ein tolles Panorama.

Abends waren wir in einer Pizzeria essen und die meisten danach noch auf einem Krammarkt und wieder in einer Bar an der Copacabana. Nachts liegen die Temperaturen in Rio bei ca. 24 °. Die Wege, die wir benutzt haben, erschienen sicher. Meist sind die Reiseteilnehmer auch in Gruppen gegangen. Gefährliche Situationen haben wir daher nicht erlebt.

12.04.2012
Der Vormittag stand zur freien Verfügung. Die vier Familien, die noch eine Woche Urlaub auf Buzios gebucht haben, sollten uns ursprünglich um 10.00 Uhr verlassen, was aber auf 13.00 Uhr verschoben wurde. So konnten wir den Vormittag noch gemeinsam verbringen. Die meisten waren an der Copacabana und haben sich dort gesonnt oder einen Spaziergang am Strand gemacht. Einhellige Meinung vieler: Hier könnte man es noch ein bisschen aushalten!

Um ca. 13.15 Uhr verließen uns dann die Buzios-Reisenden, wir starteten 15 Minuten später zu unserer langen Rückreise.

Auf dem Flughafen hatten wir - dank der guten Vorarbeit von Claudia - die Formalitäten des Zolls und des Kofferaufgebens recht schnell erledigt, was uns doch erleichtert hat. Jetzt war nur noch Warten angesagt.

Zunächst mussten wir im Flieger in Rio warten, weil in Sao Paolo ein Unwetter war. Das war in dem stickigen Flugzeug nicht gerade angenehm. Vor allem für die nicht, die sich morgens zu intensiv gesonnt hatten. Der Flug von Rio nach Sao Paolo dauert nur ca. 50 Minuten. In Sao Paolo hatten wir dann noch ca. 3 Stunden Aufenthalt. Dort trafen wir Wittigs wieder, die in Nova Petrópolis und Kirchleinburg geblieben waren. Sie konnten uns davon berichten, welche Eindrücke die Gruppe nach der Abreise hinterlassen hatten. Offensichtlich waren diese sehr gut und sehr nachhaltig!

Nach einem 12-stündigen Flug sind wir um 14.11 Uhr deutscher und 9.11 Uhr brasilianischer Zeit in Frankfurt angekommen. Auch die leicht angeschlagenen Mitreisenden haben alles gut überstanden. Otto hat seine Hammelherde wohlbehalten von einer sehr gut organisierten Reise zurück gebracht.

Leider war auf der A 61 im Bereich des Hunsrücks wieder mal Stau, so dass wir erst um ca. 17.15 Uhr in Ellern ankamen. Viele Angehörige waren zur Begrüßung erschienen. Die meisten der Reisegruppe waren aber ziemlich platt, so dass sich die Versammlung schnell auflöste.

Die vielfältigen Eindrücke werden uns sicher noch sehr lange beschäftigten.

Unser Dank gilt Otto Mayer für die viele Arbeit, die er sich gemacht hat!!!!!


Karl Bachelier