Mittwoch 02.08.2000

Heute Morgen sieht das Wetter viel angenehmer aus. Es ist sonnig und warm. Nach dem Packen verabschiede ich mich noch kurz von den Kielern, dann geht's nach dem Bezahlen ab. Ich folge der schmalen Teerstraße zur E10. Die Schotterpiste will ich mir mit dem vielen Gepäck ersparen. Auf der E10 angekommen fahre ich weiter Richtung Fiskebøl. Kurz vor Fiskebøl zweige ich auf die neue E10 ab. Ihr kann man den nächsten 20 km folgen. Dann endet sie vor einer Felswand.


Hier beginnt die neue und noch einsame E10

Kurz nach der Abzweigung folgt etwas ganz Besonderes. Der Sløverfjordtunnel. Er ist 3.340m lang und führt in eine Tiefe von 150 Metern. Drinnen ist es saumäßig kalt. Bisher bin ich heute im kurzen Radeldress gefahren. Jetzt ziehe ich alles greifbare an. Die Temperatur sinkt auf 6°C. Die ersten 1,5 km geht es mit 10% abwärts, dann folgen 1,5 km mit 10% Steigung. Auf diesem Stück ziehe ich das Schieben vor. Durch den kompletten Tunnel führt auch ein erhöhter Fußweg. Der Tunnel ist gut beleuchtet und fast unbefahren. Eigentlich ist es ganz schön hier drinnen. Trotzdem freue ich mich auf das Tageslicht und die Wärme, die dann auch unvermittelt wieder da ist.


Der Sløverfjordtunnel. Für die nächsten 3440m geht's in die Unterwelt

Weiter geht es auf der überbreiten und leeren Straße. Ich treffe mehr Fußgänger und Radfahrer als Kraftfahrzeuge. Richtig toll hier. Die Idylle endet aber in ein paar Jahren, wenn die Straße hinüber zur größten norwegischen Insel, Hinnøya, fertig gestellt ist. Es folgen noch der Falkjordtunnel (500m) und der Myrlandstunnel (1.910m). Im Myrlandstunnel geht's kräftig bergauf. Dann bin ich wieder am Meer und folge dem Hadselfjorden nach Osten. Im Vordergrund steigen wieder mächtige Berge in die Höhe. Bei Hanøy verlasse ich kurz die E10 um am Kai nach den Abfahrtszeiten der Fähre zu sehen. Seit es die neue Straße gibt, ist der Fährplan stark zusammen gestrichen worden. In einigen Tagen will ich von hier aus nach Kalljord übersetzen. Damit kann ich die E10 für einige Zeit verlassen.


Auf der neuen und noch sehr einsamen E10

Wieder zurück auf der neuen E10 überquere ich nach kurzer Zeit die Raftsundbrua, eine mächtige, 50 Meter hohe Brücke, die den Raftsundet überspannt. Der Raftsundet ist die meistbefahrene Schiffahrtstraße der Lofoten. Die Hurtigruten passiert sie zweimal täglich und alle möglichen Kreuzfahrtschiffe fahren auch hindurch. Mit der Raftsundbrua endet auch die E10 an besagter Felswand. Eine schmale Teerstraße zweigt nach Süden ab. Ihr folge ich bis zur Siedlung Kongselva. Von dort schiebe ich mein Fahrrad einen Schotterweg hoch nach Kongsmarka, einem kleinen Gehöft, ca. zwei Kilometer vom Raftsundet entfernt.


Blick von der Raftsundbrua nach Norden


Gleicher Standort und Blick nach Süden in den engen Raftsundet
Hier liegen einige Schiffe auf Grund

Hier ist man wirklich am Ende der Welt. Ein traumhaft schönes Hochtal, umgeben von mächtigen Bergen, grünen Wäldern und einigen Wiesen. Ab und zu auch ein kleiner Acker. In der Nähe eines Gehöfts gibt es einen winzigen Zeltplatz (Kongsmarka Hytteferie). Dort passen auf eine kleine Wiese ca. 6-8 Zelte. Daneben gibt es einen Waschraum und zwei Hütten. Da ich noch nie in einer Hütte war, beschließe ich eine zu mieten. Bargeld habe ich zwar nicht mehr genügend dabei aber laut meines Reiseführers kann ich in einem kleinen Ort im Süden des Raftsundet Geld wechseln.


Die Hütte in Kongsmarka

Nach dem Bezug der Hütte und dem Waschen meiner Klamotten setze ich mich nochmals auf’s Rad und fahre hinab zum Raftsundet. Ich folge der Uferstraße in Richtung Süden. Nach einiger Zeit geht sie in einer Schotterpiste über. In der Nähe von Tengeljorden lege ich mich auf einen sonnigen Stein und schaue dem Treiben im Fjord zu. Das ist Urlaub zum Genießen.


Abendstimmung am Raftsundet. Im Hintergrund die Raftsundbrua

Gegen Abends geht's zurück in die Hütte. Die Wäsche ist trocken und wird wieder verstaut. Nach dem Duschen und dem Essen inspiziere ich die Hütte genauer. Es gibt zwei Schlafräume, ein Badezimmer, einen kombinierten Wohn- und Küchenraum und im First noch einige Notlager zum Schlafen. Die Küche ist vollständig eingerichtet.

Da die Schlafräume auf der rückwärtigen und relativ dunklen Seite liegen und ich sowieso kein Bettzeug dabei habe, schlafe ich im Wohnzimmer mit dem Schlafsack. Zuvor sitze ich aber noch einige Stunden auf dem Balkon und lese. Auf dem Zeltplatz sind 4 deutsche Radler eingetroffen.


Der Blick von der Terrasse
Michel aus Lönneberga läßt grüßen

Statistik:
Tageskilometer: 65,81 km
Höhenmeter:  638 m
Höchster Punkt 100 m
Tiefster Punkt -150 m
Fahrzeit: 4:28 h
sonnig, warm 22 °C
26. Sandsletta
27. Hanøy
31. Kongsmarka

Sandsletta - Kongsmarka 52 km. Die restlichen Kilometer ohne Gepäck am Nachmittag geradelt.

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